Diese Vorgehensweise kommt in vielen Bereichen dran und der Ablauf ist immer gleich oder sehr ähnlich. Durch schöne Versprechungen „Erfolg als xyz – Kostenfrei und unverbindlich“ wird man zur ersten Infoveranstaltung eingeladen. Danach wird man mit einigen eher allgemeinen infos versorgt und es wird einem der Mund mit den Erfolgschancen wässrig gemacht. Es wird natürlich immer wieder darauf hingewiesen, das alles freiwillig ist, das man keine Verpflichtungen hat, etc. aber letztendlich ist das komplette Konzept an EINE Marke gebunden. Wer sich extrem-Beispiele wie z.B. mal Network Marketing bei PulseEmpire oder anderen „Verkaufsprofis“ anschaut erkennt diese Vorgehensweise recht schnell. Ich habe jetzt auch einmal einen Selbstversuch in der Beauty-Industrie gewagt und bin auf ähnliche Erkenntnisse gestoßen. Dies soll nur als ein weiteres Beispiel dienen und ist sicherlich auf viele andere Bereiche ebenso anwendbar.
Ich mag da vielleicht auch komplett falsch liegen und es wird sicher immer Leute geben, die dem was Sie bei solchen oder ähnlichen Firmen- und Vertriebsstrukturen vorfinden meinen glücklich zu werden, aber letztendlich verdient NUR die Pyramidenspitze und keiner untendrunter.
Der Ablauf
Aber mal von Anfang an – dann kann sich jeder ein Bild davon machen:
Ich bin – wie wahrscheinlich viele auf den SocialMedia Kanälen – auf ein Posting in einer Gruppe aufmerksam geworden in dem ein kostenloses Webinar angeboten wurde:
Erfolg als Schellmori Visagist (Anmerkung: Markenname natürlich ebenso wie alle weiteren Namen erfunden) – Webinar / Online
Du spielst immer mal wieder oder schon seit längerem mit dem Gedanken, vielleicht doch die Visagisten Ausbildung zu machen oder kennst jemanden, der sich dafür interessiert? Weisst aber nicht genau ob dieser Schritt überhaupt etwas für Dich ist? Nutz unser Webinar und stell alle möglichen und unmöglichen Fragen. Du erfährst, was man als Visagistin erreichen kann, wie man Kundinnen gewinnt, Empfehlungen bekommt und damit auch ein entsprechendes Einkommen erzielt. Anmalen kann jeder, schminken lernst Du bei Schellmori . Bei Interesse gern PN an mich, ich schick Dir dann die Zugangsdaten. #visagist #traumjob #ausbildung
Hier sieht man schon sehr gut wie der Aufbau solcher Texte ist: Es wird KEINE Info ansich gegeben sondern NUR eine Call-for-Action Aktion hervorgerufen damit man selbst NOCHMAL aktiv werden muß. Ich kontaktiere hier per PN einfach irgendeine person von der man garnicht weiß wer das ist. Man hätte auch ganz einfach eine Facebook Veranstaltungsseite oder so erstellen können oder direkt auf eine Webseite verweisen können auf der wirklich alle Infos stehe. Das passiert aber in en seltensten Fällen. Gleichzeitig wird mit Reizwörtern und Worthülsen gearbeitet „Efolg … was man erreichen kann … Kundinnen gewinnen … Empfehlungen…traumjob …“ sind so die Triggerwörter. Auch ist die Fragestellung immer ähnlich, das man nur mit „Ja“ antworten kann bzw. möchte.
Wenn man dann der Person – ich nenne Sie mal Helga Z. – per PN kontaktiert hat bekommt man natürlich nicht sofort den Link:
Hier die Antwort von der Helga:
Guten Morgen ich freu mich über Ihr Interesse an unserem Webinar. Damit ich etwas genauer weiss, welche Infos für Sie wichtig sind, wäre mein Vorschlag , dass wir vor dem webinar kurz miteinander telefonieren, dann geb ich Ihnen gern den link und kann Ihre Fragen ins Webinar gleich mit aufnehmen, denn was für Sie interessant ist, ist für die anderen Teilnehmer sicher auch wichtig. Ich freue über Ihren Anruf am besten in der Zeit von 15.00 – 18.00 uhr unter xxxxx-xxxxxxx oder Sie schicken mir Ihre Nummer dann melde ich mich gern. VG Helga Z.
Wie hier zu sehen wurde bisher immer noch nicht einmal der Link zur eigentlichen Firma Schellmori genannt und man wird gebeten die Dame, die in keinem direkten Zusammenhang mit Schellmori steht und auch natürlich nicht im Auftrag der Firma handelt sondern eigenverantwortlich… zu kontaktieren. Somit hat man hier schon wesentliche Kontakt- und Aquisedaten hinterlassen um entsprechende Geschäftskontakte knüpfen zu können … obwohl man ja noch garnicht weiss worum es überhaupt geht.
Aus diesem Grund habe ich Ihr geantwortet, das ich bis zum webinar Termin unterwegs bin und deshalb nicht anrufen kann. Daraufhin habe ich dann doch den Link zu einem etwas weniger bekannten Webconference Anbieter erhalten, der kostenlose Webconference Zugänge für bis zu 100 Teilnehmern bei einer Maximallänge von 45 Minuten anbietet. Das war in meinem Fall ganz lustig, weil das Webinar letztendlich knapp länger als 35 Minuten gedauert hat und die 5 anderen Teilnehmer neben meiner Wenigkeit dann noch Fragen hätten stellen können. Aber das nur am Rande.
In der Zwischenzeit habe ich mir die Firma Schellmori doch mal etwas genauer angeschaut und danach zuerst einmal über eine Suchmaschine gesucht und bin dann nach ein bisschen suchen (komischerweise findet man DIREKT unter dem Begriff natürlich nichts was bei bekannteren Firmen eigentlich IMMER der Fall ist. Wer nach Chanel, Lancome, Vichy, Dior oder sonst einer entsprechenden seriösen Marke sucht wird gleich auf deren Website gelenkt und findet alle Infos. HIER hab ich z.B. als ich dann auf der Seite war noch nicht einmal direkt Infos zu diesen Webinaren gefunden – kann man auch nicht, weil diese ja wiederum von „Markenbotschaftern“ oder Partnern oder sonst etwas eigenständig durchgeführt werden, weil diese ja eben keine direkten Mitarbeiter des sagen wir mal Mutterkonzerns sind. Was auch oft auffällt, das die Firmensitze im Ausland sind (in diesem Fall in einem Fürstentum in Mitteleuropa) wo es immer schwierig ist entsprechende Ansprüche geltend zu machen falls es mal dazu kommen sollte. auch ist in solchen Ländern das mit dem Impressum und der Nennung entsprechender Personen so eine Sache – in diesem Fall ist darüber auch nichts zu lesen, es steht „Postfachnummer 2″ drin und wenn man auf einer Karte sich diesen Ort genauer anschaut wirkt das Ganze wie ein anonymes Bürogebäude und oftmals sitzen entsprechende Tochterfirmen, etc. an demselben Ort.
Als das webinar dann losging wurde einem schnell klar worum es geht. Ich fasse das einmal zusammen:
– Die „Ausbildung“ zur Schellmori Visagistin dauert 8 Ausbildungstage verteilt auf mehrere Monate (ca. 4 Einzeltermine … ggf. wichtig für die weiter unten anfallenden Übernachtungskosten und jeweilige Anfahrten die nicht weiter im Preis enthalten sind)
– am 1. Tag geht es um die Bedeutung des Schminkens, Makeup Grundlagen, Planung des Makeups, Farbwirkung, Kosmetik, Aufbau des Schminkens bis hin zum abschminken
– am 2. Tag geht es um MakeUp, Powder und Co. u.a. um Themen wie Contouring, Brightener, Pinselkunde bis hin zur Hygiene und Marketingsheets
– am 3. Tag geht es dann um den erfolgreichen Schminktermin wobei der Aufbau eines solchen Termins ist, das man der Kundin wohl nur eine Gesichtshälfte schminkt und die Kundin sich die zweite Seite selbst schminkt. Das alles in ca. 1,5h (dazu komme ich später noch), aus der Bedarfsanalyse der Kndin werden dann die Folgetermine generiert, motivierende Grundlagen des Erfolges, Potenzialgenerierung für Empfehlungen und Neu-Kundengewinnung
– am 4. Tag geht es dann um die Lippen, Cremerouge, Farbtypisierung, etc.
– am 5. Tag geht es dann um Augenbrauen mit Korrekturen, Rouge, Modellieren, Glanzpuder, Reliefpunkt
– am 6. Tag geht es um um das Unternehmen mit Themen wie Persönlichkeitscoaching, Trendbewusstes Erscheinungsbild, Selbstmanagement
– am 7. Tag geht es dann um „das kleine Schwarze“ also um Natürliches, Neutrales, Tages, Business und Braut Makeup
– am 8. Tag geht es um Verschiedenes wie Smokey Eyes, Wet & Dry Techniken und wieder Marketingsheets
Nach den 8 Tagen, die in einem extra Hotel stattfinden in das man reisen muß kann man nach Absprache zu den letzten Terminen sein eigenes Model mitbringen. Man bekommt danach und nach Abgabe von 30 Vorher/Nachher Bildern von den Schminkergebnissen ein von Schermori ausgestelltes Zertifikat. WENN man DANN noch Lust hat diese Ausbildung weiter zu machen kann man das auch noch und bekommt dann nach einer entsprechenden Prüfung eine Abschlußurkunde.
Hiernach wurde einem dann noch ein Rechenbeispiel gezeigt was man denn so alles verdienen kann:
Beispiel nach dem ersten Modul: Foundation (30,-) plus Puder (20,-) plus Conceiler (20,-) = Umsatz: 70,- = Einkommen: 20,-
Auch dieses Beispiel lasse ich mal so stehen. Danach wurden einem nebenbei die Kosten für diese Ausbildung als sehr günstig dargestellt:
- Kosten für die 8 Ausbildungstage; 280,-
- Tagungspauschale (also die Hotelkosten): 216,- (wobei hier NICHT gesagt wurde ob das für alle 8 Termine oder nur eine Übernachtung ist, wobei nach einer kurzen Recherche der beiden später genannten Schulungsorte die Übernachtungspreise der Ortsansässigen Hotels- und Landgasthöfe bei ca. 100,-/Nacht liegen also werden die 216,- pro Schulungstermin sein.
- Die komplette „Dekoausstattung“ von über 130 Produkten kostet statt über 2240,- „nur“ noch knapp unter 1500,-
- Auch hier werden die Preise immer mit den marktüblichen Preisen von Visagistenschulen dargestellt und das man dann natürlich VIEL günstiger ist.
- Ebenso wird einem erklärt, das man als Visagist ja ein Dienstleister ist, für seine Aufträge unterwegs ist und von der Zeitvorgabe der jeweiligen Kunden und Auftragseingang abhängig ist und als Schellmori Visagist wird das Einkommen durch die kostenfreie Dienstleistung und durch den Produktverbrauch generiert also auch bei NICHT arbeiten und Nachbestellungen kommt das Geld rein (also ist man eher Verkaufspartner anstatt Dienstleister…), man bestimme seine Arbeitszeit ja selbst wann die Kundinnen zu einem kommen und man hat natürlich noch weitere Berufsmöglichkeiten durch Schellmori MakeUp Artist (Weiterbildung), Schelmori Beauty & Vitalcoach, etc.
- Wenn jemand ein Coachng über 8 Tage abhält und die Gebühren der Teilnehmer u.a. die eigenen Kosten und Ausgaben sowie ein „Einkommen“ generieren sollen dann wird dieses Einkommen sehr gering ausfallen wenn man nicht eben noch als Coach Produkte an die Workshop-Teilnehmer verkauft …
Zusammenfassende Analyse
An dieser Aufstellung ist natürlich gut zu erkennen, das es sich eben nur um BEISPIEL Rechnungen handelt und die Kosten für die Schulung natürlich NICHT nur 280,- sondern eben vorneweg schon mal 2000,- sind OHNE das man hier Umsatz geschweige denn „Einkommen“ und daraus entsprechenden Gewinn erzielt hat. Auf der Schellmori Website werden z.B. einfache Kosmetik Wattepads für 20,- pro 11 Stück angeboten. Ich habe spaßeshalber mal versucht extra teure Wattepads im normalen Drogeriemarkt zu finden, die an diese Preise heran reichen, aber teurer als knapp 2,- pro 50 Stück kam ich nicht.
Desweiteren findet man keinerlei Inhaltsangaben zu den dort angepriesenen Kosmetik- Vital und MakeUp Produkten. Es gibt zwar eine Seite die sich „Inhaltsstoffe“ nennt, aber hier wird einem etwas von pflanzlichen Stammzellen erzählt, die sich angeblich beim Schnitt von Pflanzen an deren Schnittstelle bilden und den Heilungsprozess fördern und diese pflanzlichen Stammzellen die aus einer bestimmten Fruchtsorte aus Burgund gewonnen wird werden dann im MakeUp und den anderen Produkten verwendet. Dann wird noch mit einigen wohl mehr oder weniger eingetragenen Markennamen geworben, die u.a. Epi- Sola- Vita- oder Stimu enthalten die man mit bekannten Worten assoziiert. Dann wird noch mit Extrakten eines in der Erde wachsenden Pilzes, der als Lebensmittel recht teuer ist geworben wobei ein kurzer Blick auf wikipedia schon hilft zu erkennen, das hier keinerlei kosmetische Wirkung zu erwarten ist. Auch mit Worten von Edelmetallen Puder wird geworben wobei auch hier kein entsprechender Zusammenhang zu erkennen ist.
Wer sich dann noch die Mühe macht einfach mal eine Produktseite einer bekannten MakeUp Firmen und dieser hier miteinander zu vergleichen erkennt bereits an der doch recht eingeschränkten und einseitigen Farbwahl, den hohen und – egal ob Lippenstift, Puder, MakUp, Wimperntusche, etc. – immer ähnlich hohen Preisen das hier was nicht stimmen kann. Ein 250ml Herren Schampoo für knapp 30,- oder ein kleiner Lippenstift (ohne Gewichts bzw. Größenangabe) für über 20,- ist dann doch eine Preisregion wo man sich gerade als VisagistIn mit einer gewissen Verantwortung den Kunden gegenüber doch etwas mehr Informationen zur Zusammensetzung, Gewicht, Verpackungseinheiten, etc. wünschen würde. Nicht zuletzt, weil man diese Produkte ja ersteinmal selbst einkaufen muß um diese dann wieder zu verkaufen. Man merkt eben auch an der Verteilung der Themen der „Ausbildung“ das ein großer Teil eben auf Marketing und Verkauf ausgelegt ist anstatt sich auf das reine schminken zu konzentrieren.
Das „Problem“ dabei ist genau dasselbe wie bei allen anderen MLM (MultiLevelMarketing) Systemen, das man immer neue Kunden gewinnen muß, weil nach 1-3 Mal diese auch wieder weg sind. „Folgetermine“ oder der Verkauf der produkte ergibt sich eben nicht wie so schön angepriesen von allein, sondern man muß hier eben aktiv um die Kunst der BestandskundInnen und auch NeukundInnen wieder und wieder werben. Auch gehört dann eben neben der eigentlichen Visaarbeit (auch wenns nur darum geh ein gesicht nur halbseitig zu schminken) auch Buchhaltung, (Eigen)Werbung, Recht, Marketing, Präsentation, etc. dazu was an und für sich schon alles eigene Schulungen sein sollten und nicht innerhalb von wenigen Stunden erklärt werden kann. Weshalb die „richtigen“ Visagistenausbildungen eben über viele Monate hinweg und oft eben ganztägig/Arbeitswoche gehen. Das es hier eben unter dem Vorwand das man einem helfen will seinen Traum zur Visagistin zu verwirklichen eigentlich nur per Netzwerkmarketing die überteuerten Produkte verkaufen will und weitere handlanger rekrutieren will sollte allerspätestens jetzt klar sein.
Aber selbst wenn das alles so gut klingt ist der „wert“ der 8 Tage Schulung auch eher viel weniger wert, denn wenn man sich nur mal die Themen anschaut, das auf 4-5 Stunden reine Zeit ohne die dazwischenliegenden Pausen, etc. umrechnet und dann die Themen zu Marketing, den Schermori „wir sind toll“-Texten, etc. ausnimmt bleibt nicht mehr viel Zeit für die eigentlichen Makeup Themen geschweige denn Zeit zum üben.
Mein Fazit und goldene Regeln
- Wenn eine Leistung nicht eindeutig beschrieben wird und so etwas wie „das ist nur eine Beispielrechnung“ oder „ca. Preis“ oder ähnliches verwendet wird ist Vorsicht geboten
- Lieber etwas mehr in die Ausbildung investieren anstatt in Versprechungen
- Firmen mit vollmundigen Versprechungen im Ausland und lediglich mit Handlangern, die wenn es zu Reklamationen oder sonstigen Komplikationen kommt eh nicht zuständig sind sollte man auch eher mit Vorsicht genießen
- man sollte Firmen und Leistungen immer hinterfragen und selbst recherchieren. Produkte und Leistungen sollten anhand von Randdaten IMMER mit Anderen vergleichbar sein wie z.B. Handys oder Autos auch.
- Gerade am Anfang nicht allzu leichtgläubig persönliche Daten oder Mailadressen rausgeben auf denen man kontaktiert und im Zweifelsfall ungebetene Rechnungen oder anderes Material unaufgefordert zugeschickt bekommt
- Eine Dienstleistung will auch fair bezahlt sein damit der Dienst etwas leistet.
Wie gesagt für den ein oder anderen mag dieses Konzept passen, aber in Aller Regel ist die erbrachte Leistung der Visagisten Ausbildung vom vermittelten Wissen bei solchen Angeboten wie eben bei Schermori um einiges niedriger als bei vergleichbaren Angeboten anderer bekannter Institutionen.
Ebenso ist mein Beispiel der fiktiven Firma Schermori natürlich nur zu Lernzwecken gedacht und Personen und Orte sind frei erfunden, Abläufe und für die Beispiele wichtige Details stimmen natürlich und sind aus dem Gedächtnisprotokoll erstellt, basieren aber eben auf erlebten Tatsachen.
ich hoffe dieser Erfahrungsbericht und dessen Analyse sowie Fazit konnte dem ein oder Anderen weiterhelfen.
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